Um für umweltpolitische Themen zu sensibilisieren, nutzt Susanne Gabler den öffentlichen Raum
Susanne Gabler verspürt unauf- hörlichen Schaffensdrang. Seitdem sie seit 2016 als freie Künstlerin tä- tig ist, hat sie zahlreiche Projekte auf den Weg gebracht. Die Künst- lerin, die seit 2019 im Team mit anderen Kulturschaffenden die Galerie Hinter dem Rathaus in Wismar leitet, verarbeitet in ihrer Kunst häufig gesellschaftsrelevante Themen. Neben Soloprojekten ist sie auch als Mitglied der Künstler- gruppe „Drittvariable“ aktiv. Ende vergangenen Jahres war sie für den Rostocker Kunstpreis 2023 nomi- niert und konnte eine Auswahl ih- rer Arbeiten im Schaudepot der Kunsthalle Rostock ausstellen.
Die gebürtige Stralsunderin studierte an der ehemaligen Fachhochschule für angewandte Kunst in Heiligendamm, eine am Bauhaus orientierte Institution der DDR. Als diese im Jahre 2000 der Hochschule Wismar angegliedert wurde, setzte Gabler ihr Studium am neuen Standort fort, wo sie bis heute lebt und arbeitet.
Ihr künstlerisches Werk ist vielseitig und umfasst Kunstaktionen, Installationen, Objektkunst, Word Art sowie Kunst im öffentlichen Raum. Angefangen hat alles mit der Teilnahme an Wettbewerben wie z.B. der „Kunst am Bau“, eine vom Bund geförderte Baumaßnahme, bei der etwa ein Prozent der Baukosten öffentlicher Bauten für Kunst verwendet wird. Die mit der Architektur verwobene Kunst soll zur Akzeptanz und Identifikation der Öffentlichkeit mit dem Bauwerk beitragen. Gabler gewann unter anderem den für die Polizeiinspektion Wismar ausgeschriebenen Wettbewerb mit ihrem Siegerent- wurf „Vogelflug“. Den Sicherheitszaun der Wismarer Polizeiinspektion an der Dr.-Leber-Straße ziert seit jeher ein Möwenschwarm, angelehnt an die Landesfarben. Faszinierend ist der Eindruck einer Flugbewegung, der sich beim Vorbeigehen einstellt.
Die Künstlerin fertigt ihre Arbei- ten häufig „in situ“ – lat. „am Ort“. Dabei entwickelt sie ihre Kunst immer in Verbindung mit dem un- mittelbaren Kontext. Diese Orts- und Themenspezifik ist ein wiederkehrendes Prinzip ihrer künstle- rischen Vorgehensweise. In ihren Arbeiten setzt sie sich ins- besondere mit den wachsenden Umweltproblemen auseinander. Während ihres einmonatigen Auf- enthaltsstipendiums 2018 in Skagaströnd auf Island sammelte Gab- ler angespülte Plastikteile am Strand der Grönlandsee und setzte die nutzlosen Bruchstücke zu ästhetischen Gebilden neu zusam- men. In der Arbeit, in welcher sie sich mit der Verschmutzung der Meere auseinandersetzt, bedeuten die zum Kunstwerk erklärten Fundstücke eine Metapher auf das Ende des Lebens. Die zu Kunstobjekten verarbeiteten Plastikteile visualisieren die Chance auf etwas Neues, nach dem sprichwörtlichen Bruch aus ihrer ursprünglichen Bestimmung.
Die Künstlerin sammelt nicht nur, sondern repariert auch leiden- schaftlich gern. Auf Island nähte sie in einer weiteren Kunstaktion Reste von alten Bojen zusammen, um diese wieder einsatzfähig zu machen. Hierzu bediente sie sich einer ungewöhnlichen isländischen Tradition, die sie von den Einhei- mischen übernahm. Bis in die 1960er Jahre hinein wurde auf Island zerbrochenes Porzellangeschirr repariert, indem es mit Schafwolle genäht und zwecks Verklebung in Milch gekocht wurde. Nach dieser skurril anmutenden Methode vernähte Gabler die Bruchstücke der einstigen Schwimmkörper mit der Wolle isländischer Schafe und verlängerte auf diese Weise sinnbildlich ihre Lebensdauer. „Auf Island ist die Redewendung ‚throw it in the ocean‘ gebräuchlich, die es gewisser- maßen auf den Punkt bringt“, konstatiert die Künstlerin. „Müll, der ins Meer geworfen wird, ist erst einmal aus dem Blickfeld. Wäh- rend Asiens Strände seit Jahren im Müll ertrinken, handelt es sich auf der Nordhalbkugel um ein relativ junges Phänomen, das langsam aber stetig sichtbar wird.“
Gabler will mit ihrer Kunst Kom- munikationsräume schaffen. Das Aufgreifen von Traditionen, als auch die Ästhetik der Umsetzung sind für sie geeignete Mittel, um ihrem inneren Gefühl Gestalt zu geben und eine Verbindung zu den Rezipienten herzustellen.
In ihrem 2021 initiierten Projekt „Reparaturen am Haus“ knüpft sie an die traditionelle textile Hand- werkskunst an, die sie hier einsetzt, um auf die Vielzahl der leerstehen- den und vom Zerfall bedrohten Häuser der mecklenburgischen Landstadt Tribsees aufmerksam zu machen. Gemeinsam mit dem Frauenverein Tribsees e.V. repa- rierte sie die ruinösen Gebäude, indem sie Risse liebevoll mit ro- sanem Garn vernähte und zerbro- chene Fensterscheiben, fehlende Ziegelsteine und sonstige Schäden mit Häkelarbeiten ersetzte. Für die Künstlerin ist ein Riss im Haus wie eine Wunde im Körper, die es zu verschließen gilt. Nicht nur die maroden Häuser erfuhren durch die Häkelkunst eine Aufwertung, auch die ältere Generation selbst, die die Künstlerin in ihr Projekt miteinbezog, konnte den Wert ih- rer Tradition und ihres Zusammen- halts zum Ausdruck bringen. Susanne Gablers Terminkalender ist Anfang des Jahres schon gut ge- füllt. Zum diesjährigen Caspar- David-Friedrich-Jubiläum wird sie eine Ausstellung in dessen Ge- burtsstadt Greifswald kuratieren. Auch eigene Projekte stehen an. In ihrer nächsten Arbeit verbindet sie Kunst und Wissenschaft miteinan- der. In Kooperation mit einer Mir- kobiologin erforscht sie für ein künstlerisches Konzept die Aus- wirkungen des Klimawandels auf die Meere. Laura Prüstel www.susannegabler.de