Ziegelei Benzin mit ihrem Hoffmannschen Ringofen ist ein technisches Denkmal
Wer kennt das nicht: Da steht ein schönes Haus in der Straße, hundertmal und öfter ist man schon vorbeigegangen. Aber was verbirgt sich hinter der Fassade? Welche Geschichten stecken hinter den Mauern, wer geht hier ein und aus? Denn schließlich sind Geschichten von Häusern immer auch Geschichten von Menschen. In dieser Serie wollen wir gemeinsam mit Ihnen hinter Fassaden blicken. Diesmal: in der Ziegelei Benzin, in welcher in der Vergangenheit Backsteine und Ideen entstanden sind.
Die Historische Ziegelei Benzin am Rande der Mecklenburgischen Seenplatte hat eine wechselvolle Geschichte
erlebt: 1907 wurde sie gegründet, bis 1990 mit fast unveränderter Technik betrieben, dann stillgelegt, später umfassend saniert. Nun ist der Komplex aus mehreren Produktions- und Wohngebäuden ein Technisches Denkmal.
Die ehemalige Produktionslinie mit dem großen Hoffmannschen Ringofen ist nach wie vor funktionstüchtig und war bis vor kurzem zu besichtigen. Doch der Besitzer, der das Areal 2012 gekauft und hier unter anderem Bausteine aus Naturmaterial hergestellt hatte, musste 2022 Insolvenz anmelden. Daher herrscht gerade relative Ruhe. Wenn man die Historische Ziegelei Benzin besuchen will, braucht es keinen Blick aufs Navi oder die Straßenkarte, um sie zu finden: Vorausgesetzt, man befindet sich bereits in der Nähe, muss man nur übers Land schauen und entdeckt den markanten Schornstein des Komplexes. Früher war der allerdings noch höher und besser zu sehen, erzählt Ernst Engländer: „Dann traf ihn der Blitz und brachte ihn in Schieflage. Da er danach drohte, auf das ehemalige Produktionsgebäude zu stürzen, musste man den oberen Teil abtragen.“
Engländer hat das Gelände 2012 gekauft und sich intensiv mit dessen Geschichte befasst. Er weiß daher, dass hier während der Produktion ab 1907 bis zur Wende die Technik mehr oder weniger dieselbe blieb und nur die Dampfmaschine gegen einen Elektromotor ausgetauscht wurde. „In der DDR-Zeit hat hier die Firma Wolff Backsteine hergestellt.
Teilweise waren auch Straffällige dabei tätig, was aber wohl gut funktioniert hat.“ Bis 1972 war die Ziegelei in privater Hand. Acht bis 16 Mitarbeiter arbeiteten dort. Danach wurde sie verstaatlicht. Nach der Wende schloss man den Betrieb, der 1990 noch rund 200.000 Ziegel herstellte. Dann sollte die Tongrube am Rand des rund 12 Hektar großen Areals als Abfallgrube genutzt werden. Dagegen gründete sich ein Bürgerverein.“ Aus dem Verein ging später die „Ziegelei Benzin Beschäftigungs-GmbH“ hervor, die 1995 die alten und teils verfallenen Gebäude kaufte und bis 2011 den Komplex sanierte. Unter der Leitung von Baufachleuten seien hier rund 150 Ein-Euro-Jobber tätig gewesen, berichtet Engländer. Er selbst erwarb die Ziegelei aus der Insolvenz der vorherigen GmbH. Sein Konzept war es, mit den vorhandenen Gerätschaften und dem Kern der Belegschaft Bausteine aus Naturmaterial herzustellen, unter anderem mit dem Material aus der Lehmgrube.
Auf dem Gelände produzierte man im Freien Hanf-Kalk-Steine, Lehmputz und Feinputz und vertrieb die
Waren ab 2017 über das Naturbauhaus in Schwerin. Ende 2022 musste die „HZB & Co. KG“ – HZB, der Name der Vertriebsgesellschaft steht für „Historische Ziegelei Benzin“ – Insolvenz anmelden.
Vor allem aus diesem Grund ist die kulturgeschichtliche Perle des Mecklenburger Vorpommerns letzte öffentlich zugängliche Ziegelei, derzeit für Gäste nicht zu besichtigen. Doch die Stätte ruht nur: der Museumskomplex
mit seinen Werkstätten für Keramik, Holz und Metall, der Mitteltrakt mit dem voll funktionsfähigen Hoffmannschen Ringofen. Diese Art des Brennofens wurde 1839 in Fürstenwalde erfunden und ist nach dem Ingenieur Friedrich Eduard Hoffmann benannt, der ihn 1859 zum Patent anmeldete. Er gilt als Vorläufer moderner Tunnelöfen.
Die meisten Ringöfen verfügten über 14 bis 20 Kammern, in denen unabhängig voneinander Feuer entfacht und Ziegel gebrannt werden konnten. Auch die Lorenbahn, mit der man das Areal durchqueren konnte, ist funktionstüchtig. Denn die zwei Loks stehen im Trockenen. Veranstaltungen finden derzeit nicht statt – mit einer Ausnahme: Vom 8. bis zum 10. September verpachtete der Besitzer sein Areal an Festivalmacher aus Schwerin für die dritte Auflage des „Camakavum“, eines „Hitech Psytrance Techno Festivals“, das auf drei „Floors“ unter freiem Himmel stattfindet. Da die Ziegelei etwas außerhalb von Benzin liegt, kann man die Boxen hier ein wenig mehr aufdrehen. Doch danach ist zunächst wieder Ruhe eingekehrt.
Wie geht es nun weiter? Generell möchte Ernst Engländer die Ziegelei gerne erhalten und auch
wieder produzieren, wenn es möglich ist. Bevor der Museumstrakt und die anderen Gebäude wieder öffnen können, müssen noch drei Schadensstellen repariert werden. Danach könnte sich entscheiden, was mittel- oder langfristig mit der Ziegelei passiert. Ein Technisches Denkmal und ein baulich interessantes Ensemble wie dieses sollte die Chance auf eine Zukunft haben, in der es wieder öffentlich zugänglich
sein wird.
Beate Diederichs