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Pfeifenbauer und Blues-Musiker

„Schlichen sich die bösen Buben in sein Haus und seine Stuben, wo die Meerschaumpfeife stand …“ Als Max und Moritz Lehrer Lämpel aufs Korn nehmen, tun sie es mittels seines liebsten Gegenstands – der Pfeife. Denn die steht für Wohlbefinden und Genuss –und eine Meerschaumpfeife ist besonders elegant. Das weiß Pfeifenbauer Rainer Hartung aus Wismar nur zu gut. Seit Jahren hat der Genussraucher sein Herz an handgefertigte Pfeifen verloren. „Ich bin damals zum Graßhof nach Hamburg-Bergedorf gefahren und von dort mit einem Holzblock für eine Pfeife zurückgekehrt“, erinnert sich der 61-Jährige. Diesen Block, sozusagen einen Pfeifen-Rohling, bearbeitete er gerade in seinem Wismarer Ladengeschäft mit der Feile, als ein Kunde hereinkam und spontan entschied: Diese Pfeife kaufe ich.

„Jede Pfeife hat ihr Gesicht“

Das war Rainer Hartungs Einstieg ins Pfeifengeschäft. Bis zum Jahr 2008 baute er rund 300 Stück – um dann seiner zweiten Leidenschaft als Berufsmusiker den Vorrang zu geben. Aber dazu später mehr. Denn zuerst wäre da die Frage: Warum ausgerechnet eine handgemachte Pfeife? „Weil sie optisch als auch qualitativ besser ist“, sagt der Pfeifenbauer. Und natürlich passt so ein schönes Stück auch zum Genuss, den man damit verbindet –genauso wie die Mußestunde und der tiefe Ledersessel. Gerade hat Rainer Hartung eine neue Lieferung von Holzblöcken aus Algerien erhalten. Es ist Wurzelholz der Baumheide, das im Tabakpfeifenbau unter der Bezeichnung Bruyère-Holz bekannt ist. Auf einen solchen Block zeichnet der Wismarer später die Pfeifenform, dann wird der Rohling ausgesägt, gefeilt und geschliffen bis er sich beim Darüberstreichen ganz seidig anfühlt.

„Jede Pfeife hat ihr Gesicht“, sagt der Autodidakt, der sich die Kunst der Herstellung selbst zu eigen gemacht hat. Das beginnt bei der Zeichnung des Holzes, die sich schon in den Kanteln erahnen lässt und reicht bis zu der elegant-geschwungenen Form. Maserungen wie Straight Grain – eng und parallel verlaufende Linien –und Birds Eyes – an „Vogelaugen“ erinnernde kleine Kreise – machen ein Stück besonders attraktiv.

2018 hat Rainer Hartung die Pfeifenwerkstatt wieder aufgeschlossen. Mindestens acht Stunden Arbeit stecken in jeder Pfeife, eher mehr. Und Herzblut. Die handgemachten Stücke bietet der Pfeifenbauer in seinem Laden „Spezialitäten am Turm“ in der Wismarer Sargmacherstraße an – zusammen mit Tees, Essigspezialitäten, Öl, Spirituosen und natürlich Tabak. Seit 2012 betreibt der Diplom-Agraringenieur das Geschäft. „Ich habe in meinem Leben schon vieles gemacht“, sagt er und kommt gleich auf die Musik zu sprechen. Oder genauer gesagt auf den Blues, an den er sein Herz verloren hat. Deutsche Texte, die er selbst schreibt, sind sein Markenzeichen, „Don Promillo“ sein Künstlername und die Backboard Blues Band zusammen mit Thomas Heitkötter seine Leidenschaft.

Rainer Hartung bietet in seinem Ladengeschäft in der Sargmacherstraße seine handgefertigten Pfeifen an. Jedes Stück ist ein Unikat. Foto: Haescher

Don Promillo Blues Band

„Vor zwei Jahren ist unsere jüngste CD erschienen“, sagt Hartung, der in der Band für Gesang und virtuoses Mundharmonika­spiel zuständig ist. Der Titel des Silberlings „Blues am Turm“ ist eine Reminiszenz an eine Musik­reihe gleichen Namens in Gollwitz, die es inzwischen nicht mehr gibt. „Leider“, sagt Rainer, der 50 bis 80 Konzerte im Jahr spielt. Mit seiner nach dem Studium gegründeten „Don Promillo Blues Band“ stand er in ganz Deutschland und Europa auf Bühnen und konnte 1996 bei den Newcomer-Bands Platz 2 in den deutschen Blues-Charts verbuchen. Die Musik hat den gebürtigen Thüringer auch nach Wismar geführt: 1997 lernte er bei einem Konzert seine Frau kennen und verliebte sich gleich zweimal: in sie und in die Stadt an der Ostsee.

Das Häuschen in der Wismarer Innenstadt bietet im kleinen Hof sogar Platz für Bienenstöcke: 20 Völker hat Rainer Hartung angeschafft und trägt so zum süßen Leben in der Stadt bei. Den Honig bietet er unter anderem in seinem Ladengeschäft an. Dort würden sich jetzt im April unter normalen Umständen schon Urlauber die Klinke in die Hand geben. Aber leider ist in diesem Jahr alles anders. Corona hat das öffentliche Leben im Griff und Rainer Hartung öffnet aktuell nur dreimal in der Woche. Wie so viele andere hofft er darauf, dass die Durststrecke bald überstanden ist – auch für seine Tochter Julia, die in Leipzig studiert. „Für junge Leute ist es doch besonders wichtig, dass sie sich treffen können, andere Menschen kennen lernen, kurz, ein Studentenleben haben“, sagt er. Und natürlich hofft auch sein Alter Ego „Don Promillo“ auf einen Konzertsommer. „Wenn zum Beispiel die Poeler Kogge ablegt und wir an Bord spielen, ist das immer etwas ganz Besonderes.“ Katja Haescher

www.pfeifenbauer-wismar.de