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Querbeet durchs ganze Land

Im Kloster Dobbertin müssen die Dächer gestrichen werden. Der Ochsenkopf braucht eine Rasur. Und nebenan beim Fischer ist die Ostsee mal wieder übergeschwappt – alles Fälle für Steffen Kliese. Wenn er richtig ranklotzt, schafft er es in zwei Tagen, die Dinge in Ordnung zu bringen. Das liegt daran, dass im Erlebnispark „Minimare“ in Kalkhorst im Klützer Winkel alles eine Nummer kleiner ist. Hier locken inmitten eines blühenden Parks Nachbildungen bekannter Gebäude zu einem Spaziergang durch Mecklenburg-Vorpommern – und Steffen Kliese ist so etwas wie der „Landesgärtner“.

Seit einem guten Jahr arbeitet der Dassower im „Minimare“. „Das Schöne an diesem Job ist, dass ich meine Arbeit wachsen sehen kann“, freut er sich. Gewöhnlich sei ein Garten- und Landschaftsgärtner maximal zwei, drei Wochen an einem Ort und habe nach Beendigung der Arbeit mit dem Projekt nie wieder zu tun. In Kalkhorst kann Steffen Kliese dagegen viel langfristiger planen – und genau das gefällt ihm.

Und auch wenn der Name „Minimare“ womöglich in eine andere Richtung weist: Bei einer Größe von 1,5 Hektar hat der 32-Jährige im Park eine Menge zu tun. Arbeitsbeginn ist um 6.30 Uhr. Bis um 10 Uhr die Besucher kommen, sagt Steffen Kliese, will er lärmintensive Arbeiten wie Rasenmähen und Heckenschneiden erledigt haben: „Die Menschen sollen sich schließlich bei uns erholen.“ Und nicht immer greift er zur großen Technik: Der Ochsenkopf zum Beispiel, ein Buchenheckenlabyrinth in Form des Landeswappentiers, braucht nach Meinung des Gärtners eine viel feinere Behandlung. Mit der Gartenschere stutzt er einzelne Zweige, andere werden vorsichtig ins Blattwerk eingeflochten. So sollen die grünen Wände schnell dichter werden und das Verirren noch mehr Spaß machen.

Den Spaß am Grünen hat Steffen Kliese schon als Kind gefunden. Die Großeltern hätten einen riesengroßen Garten mit vielen Blumen gehabt, erzählt er. Später schärfte er den Berufswunsch in verschiedenen Praktika, wobei eines schnell klar wurde: Die Arbeit im Gewächshaus einer Gärtnerei lockte den gebürtigen Sachsen-Anhaltiner gar nicht. „Draußen habe ich viel mehr Freiheit“, sagt er und fügt hinzu, dass er mindestens genauso gern mit Menschen wie mit Pflanzen zu tun hat. Klar: Weil der Gärtner den ganzen Tag im Park unterwegs ist, muss er auch viele Fragen abseits des Blumenbeets beantworten. Das tut er gern – und er gesteht, dass er mindestens genauso gern zuhört, wenn Eltern und Großeltern Kindern den Park erklären. „Vor allem die Älteren haben ein großes Wissen über das Land, da habe ich auch schon viel gelernt“, sagt der Parkgärtner.

Bei Steffen Kliese sind die Rosen im Minimare in Kalkhorst in den besten Händen. Foto: Katja Haescher

Wenn er durchs „Minimare“ geht, hat er die Augen überall. Da wird im Vorbeigehen der Spitzwegerich ausgerissen, der seine Blüten verwegen unter die der Rosen mischt. Auch dass am Wismarer Wassertor Zinnen fehlen, sieht er sofort. „Oft liegt am Ende der Woche eine Handvoll Kleinteile in meinem Fach und die Kollegen staunen, wenn ich beim Anblick eines Teils sofort sagen kann: Stadttor Neubrandenburg“, sagt er lachend. Schlimmer wird es, wenn einzelne Stücke von Modellen spurlos verschwinden – wie zum Beispiel die winzigen filigranen Wasserspeier von der Wismarer Wasserkunst.
In solchen Fällen trinkt Steffen Kliese eine Dose Cola, um anschließend aus dem Blech mit Hilfe einer Nagelschere Ersatz zu basteln. „Ohne Improvisation geht es in einem solchen Park nicht“, sagt er.

Spricht ein Profigärtner eigentlich auch mit seinen Pflanzen? Erst muss Steffen Kliese bei dieser Frage lachen, aber dann gibt er doch zu, dass da etwas dran ist. Wenn er zum Beispiel der hochwuchernden Staude verspricht: Komm, ich binde Dich mal an. Oder der Distel sagt: Nicht in meinem Beet! Dann merkt man, wie sehr ihm der Park schon ans Herz gewachsen ist.

Auch hat das berufsbedingte Gärtnern Steffen Kliese auf der heimischen Parzelle nicht die Petersilie verhagelt: Selbst in der Freizeit hat er noch Lust aufs Pflanzen und Pflegen. „Und selbst wenn ich mal keine habe: Manchen Pflanzen bekommt es auch mal ganz gut, wenn man sie mal in Ruhe lässt“, sagt er. Hilfe hat er zu Hause bereits von seinem sieben Jahre alten Sohn, der auch im Minimare schon zusammen mit Papa seine ersten Sonnenblumen gepflanzt hat. „Mit den Kindern kommen wir regelmäßig hierher“, sagt Steffen Kliese, der außerdem eine zwei Jahre alte Tochter hat.

Dem jungen Vater ist es dann sehr wichtig, zusammen mit den Kindern Neues zu entdecken oder auch einfach nur mal eine Runde über den Spielplatz zu toben. Letzteres tut er einmal die Woche sogar berufsbedingt: „Ich prüfe hier regelmäßig, ob alle Geräte in Ordnung und alle Schrauben fest sind“, sagt er. Das klappt natürlich am besten beim Hangel- und Klettertest. „Dann darf ich beim Probespielen wieder Kind sein“, freut sich Steffen Kliese. Minimare macht‘s möglich. Katja Haescher