Heute im Kälberstall, morgen im Hörsaal. Zwischendurch auf dem Traktor und dann wieder im Büro. Über wenig Abwechslung in ihrem Leben kann sich Lena Laue nicht beklagen. Und genau das ist es, was ihr gut gefällt. Die 21-Jährige ist in der einen Hälfte des Tages Studentin der Agrarwirtschaft an der Fachhochschule Kiel – und in der anderen Landwirtin im väterlichen Betrieb in Moltow. Später will sie den Hof einmal übernehmen.
Nach der Wende kauften ihr Vater und Großvater, beide in Schleswig-Holstein zu Hause, die LPG-Außenstelle in der Nähe von Wismar. Lena war damals noch ein kleines Mädchen. Die Familie verbrachte viele Wochenenden und Ferien auf dem Hof, der sich in der Obhut eines Betriebsleiters befand. „Papa war Telefonbauer“, sagt Lena lachend. Denn ihr Vater lehrte zu diesem Zeitpunkt noch als Professor im Fachbereich Agrarwirtschaft an der Kieler Fachhochschule.
Wochenenden und Ferien reichten, um Lenas Interesse für die Landwirtschaft zu wecken. „Ich habe gemerkt, dass ich dafür brenne“, sagt sie. Mit 17 erschien ihr der ursprüngliche Wunsch, BWL zu studieren, keine gute Idee mehr. Stattdessen beschloss sie nach dem Abitur 2018, den eigenen Betrieb richtig kennen zu lernen. Eineinhalb Jahre arbeitete sie in Moltow, machte sich mit allen Abläufen vertraut – oder legte oftmals einfach los und lernte aus Fehlern. „Ich musste früh Verantwortung übernehmen, bin sozusagen ohne Schwimmflügel ins Wasser gesprungen“, sagt die 21-Jährige. Neben den Ratschlägen und der Hilfe, die sie von ihrem Vater, Kollegen und anderen Unternehmern erhielt, studierte Lena Bücher über Kälbergesundheit – um die Jüngsten im Tierbestand kümmert sie sich seit Jahren.
740 Rinder, darunter 160 Kälber, gehören zu dem Unternehmen Qualitätsfleischerzeugung Moltow KG, das auf die Mast von Rosé- und Jungbullen spezialisiert ist. Auf rund 170 Hektar Ackerland werden unter anderem Futtermittel produziert, eine Biogas-Anlage sorgt dafür, Mist, Gülle und Futterreste in Strom und Wärme umzuwandeln. Diese Vielfalt reizt Lena Laue. Und das Ziel, Lebensmittel in hoher Qualität zu produzieren, treibt sie an.
Vor diesem Hintergrund ärgert sie auch das manchmal negative Image der Landwirtschaft: „Welches Interesse sollten wir daran haben, unsere Tiere schlecht zu behandeln?“, sagt Lena. „Natürlich gibt es schwarze Schafe, aber das darf man doch nicht gleich auf die ganze Branche übertragen.“ Wenn die 21-Jährige darüber nachdenkt, dass in Deutschland Lebensmittel in höchster Qualität produziert werden und die Rahmenbedingungen dennoch immer mehr Betriebe zum Aufgeben nötigen, macht sie das ratlos: „Und ich habe ein echtes Problem damit, wenn Leute sagen, dass sie alles doof finden, was in der Landwirtschaft läuft –und trotzdem billiges Fleisch kaufen.“
Dass die Dinge kompliziert sind, kann Lenas Liebe für die Landwirtschaft nicht schmälern. „Ich habe festgestellt, dass ich praktisch veranlagt bin“, sagt sie – das Zugmaul am Traktor zu wechseln, kann durchaus dazugehören. Was für die junge Landwirtin eine Selbstverständlichkeit ist, wirkt auf andere exotisch: Wenn Lena mit den großen Maschinen unterwegs ist, folgen ihr die Blicke – „dabei fahre ich gar nicht anders Traktor als die Männer“, lacht sie.
Seit kurzem schlüpft sie nicht mehr jeden Morgen in die Gummistiefel – nach Semestern des Online-Studiums erlebt die junge Studentin jetzt erstmals Hochschule und Kommilitonen live in Osterrönfeld in Schleswig-Holstein, wo der Fachbereich angesiedelt ist. „Zum Glück kann ich einen meiner Hunde mitnehmen“, sagt Lena. Das hilft gegen das Heimweh. Insgesamt sind es drei Jagdhunde, die bei Lena und ihrem Freund leben. Die beiden bilden die Tiere für die Jagd aus, sind viel mit ihnen unterwegs. Denn Lena ist auch Jägerin, vor einigen Jahren hat sie das „grüne Abitur“ gemacht – wie die Jagdscheinprüfung auch genannt wird. „Jagdrecht und Brauchtum, Jagdhunde, Wildbiologie, Waffenrecht, man muss unglaublich viel wissen“, sagt Lena, die eine wichtige Aufgabe des Jägers im Naturschutz sieht. Und wie bei der Landwirtschaft hält sie auch hier an ihrem Credo fest, das lautet: Es gibt noch viel zu lernen!
Sind bei einem solchen Pensum jemals Ferien drin? „Klar“, sagt Lena, „ich halte auch mal gut einen Tag auf der Couch aus.“ Und dass Urlaub bei vielen Tieren natürlich gute Organisation erfordert, wüssten auch Menschen, die ein Pferd oder einen Hund haben. Außerdem fragt sich die 21-Jährige, warum sie wegfahren sollte, wenn sie doch alles schon hat – eine wunderbare Umgebung, die Möglichkeit, mit den Hunden unterwegs zu sein … „Momentan“, sagt Lena Laue, „gefällt‘s mir so, wie es ist“. Katja Haescher