„Wie, du bist Schiedsrichterin?“ Diese Frage bekommt Pauline Meincke häufiger mal zu hören. Die Gegenfrage würde natürlich lauten: „Ja, warum denn nicht?“ Aber die 21-Jährige weiß, dass sie als Frau in Schwarz im Fußball immer noch Exotin ist: Gerade einmal fünf Frauen und Mädchen zählt die Schiedsrichterriege des Kreisfußballverbands Westmecklenburg, dem Pauline angehört. Dem gegenüber stehen 105 Männer.
Ihre Schiedsrichterlaufbahn begann Pauline Meincke vor fast zehn Jahren. „Ich komme aus einer fußballbegeisterten Familie, bin mit meinem jüngeren Bruder immer mit zum Training gegangen, weil es einfach nicht so viele Mädchenmannschaften gab“, erzählt sie. Als Pauline zu alt fürs gemischte Team wurde, stand die Frage: Wie weiter? Ihr Schwager, selbst Schiedsrichter, brachte die Ausbildung als Referee ins Gespräch – da war Pauline zwölf. Seitdem ist sie dabei.
In dieser Zeit hat sie viel gelernt. Das komplette Regelwerk. Wie schwer ein Ball ist und wie groß ein Spielfeld. Aber auch Selbstbewusstsein und Besonnenheit, wenn in schwierigen Situationen die Emotionen hochkochen. Von ihrem ersten Spiel, das sie im Sommer 2013 leitete, weiß Pauline noch, dass sie ungeheuer aufgeregt war. Das ist sie vor großen Spielen noch immer. Als Schiedsrichterassistentin stand sie inzwischen sogar schon in der zweiten Frauen-Bundesliga auf dem Rasen. Genauso pfeift sie aber auch Spiele im Männerbereich – inzwischen bis zur Landesliga.
Die Voraussetzungen für diesen Aufstieg sind wie im Sport gute Leistungen und Engagement. Dazu gehören die Weiterbildungen, die der Kreisverband regelmäßig anbietet genauso wie selbstständiges Training: „Die Grundausdauer muss natürlich stimmen, dafür fahre ich viel Fahrrad“, sagt die Schwerinerin. Natürlich muss Pauline sprinten können, um alle Spielzüge gut im Blick zu behalten. Es ist ein anstrengender Wechsel zwischen Laufen und Gehen und das 90 Minuten lang und bei voller Konzentration.
Trainieren musste die junge Schiedsrichterin aber auch ihre Fähigkeit, Vorwürfe abprallen zu lassen. „Da ist mir eine dicke Haut gewachsen“, sagt sie – wenngleich sie einige Dinge immer noch nicht versteht. Zum Beispiel, wenn ein Vater am Spielfeldrand sie als Unparteiische immer wieder be-leidigt. „Ich war vielleicht ein oder zwei Jahre älter als sein Sohn, der auf dem Spielfeld stand“, sagt Pauline. „Und immer wenn ich Spiele mit dieser Mannschaft geleitet habe, wusste ich: Es gibt Probleme.“ Auch in solchen Situationen bekommt sie Rückhalkt vom Verein, ist mit den Assistenzschiedsrichtern ein eingespieltes Team. „Ich tue immer alles nach bestem Gewissen, fälle ja keine Fehlentscheidungen mit Absicht“, sagt sie. „Und wenn ich mich irre, stehe ich auch dazu.“
Paulines Wochenenden gehören dem Fußball. Für sie ist es der perfekte Ausgleich – beispielsweise zu ihrem dualen Studium zum Sport- und Ernährungscoach, das sie in den zurückliegenden Jahren gerade unter Coronabedingungen sehr gefordert hat. „Aktuell warte ich auf die Ergebnisse meiner Bachelorarbeit“, sagt sie.
Wenn Pauline gerade kein Spiel pfeift, dann sieht sie sich gern eins an – auch im Fernsehen. Gefreut hat sie sich über die Aufmerksamkeit und Anerkennung, die die Spiele der Fußball-Europameisterschaft der Frauen in diesem Jahr fanden. „Es war wichtig zu zeigen: Wir sind im Kommen!“, sagt die 21-Jährige. Deshalb muss sie sich bei dem spöttisch gemeinten Satz „Wir sind doch hier nicht beim Frauenfußball!“ auch ihren Teil denken. Denn Pauline weiß aus Erfahrung, dass Frauen oft besser einstecken können als Männer: „Eine Frau würde manchmal noch gar nicht auf dem Boden liegen.“
Ansonsten, sagt sie, gibt es gar nicht so viele Unterschiede: Die meisten Spieler, ob Frauen oder Männer, wünschen sich ein gutes und faires Spiel. Insofern, sagt Pauline, kann sie das Schiedsrichteramt auch anderen jungen Frauen nur ans Herz legen. „Es ist ein großer Schub fürs Selbstbewusstsein, der auch wirkt, wenn ich auf der Straße mal blöd angequatscht werde“, sagt sie.
Natürlich hat die junge Schiedsrichterin weitere Ambitionen: Einmal ein Spiel in der Bundesliga der Frauen zu pfeifen, ist eine davon. Insofern kann sie sich über den Spitznamen „Klein-Bibi“ freuen, den sie manchmal am Rande des Spielfeldes hört: Bibiana Steinhaus war die erste Frau, die im deutschen Männer-Profifußball Spiele leitete.
Auf Fairplay legt Pauline auch großen Wert, wenn sie mit ihren Lütten auf dem Platz steht: Seit einem Jahr trainiert sie in Schwerin eine U8-Mannschaft und genießt das schöne Gefühl, wenn ihr Team ein Spiel gewinnt. Da kann sie dann ganz parteiisch sein.
Katja Haescher