Zum Inhalt springen

Zwischen Musik und Poesie

    Sprache, Sprachen. Wörter, Worte. Ton, Töne. Der Schwede Johan Holmlund bewegt sich in allen Welten. Er ist Musiker, Lyriker, Lehrer – und füllt alle Rollen mit der gleichen Leidenschaft. Seit 2014 ist er in Schwerin zu Hause, in Wismar arbeitet er als Lehrer an der Großen Stadtschule, dem Ge­schwis­ter-Scholl-Gymnasium. „Als Schwede bin ich hier ja sozusagen in der Tradition von Gustav II. Adolf“, scherzt er und spielt damit auf Wismars Schwedenzeit an. Geschichte unterrichtet er hier allerdings nicht, sondern Englisch. Aber der Reihe nach.

    Johan Holmlund findet Inspiration an vielen Orten. Im Garten am Haus zum Beispiel – einem kleinen Stück Natur mitten in der Stadt. © Foto: Katja Haescher

    In Jönköping geboren, entdeckte Johan Holmlund früh seine Liebe zur Musik. Zusammen mit Schulfreunden gründete er die Band Easy, die erste Indie-Pop-Band Schwedens, wie er sagt. Seine Idole in dieser Zeit: Kiss, später die Beatles. Weniger dagegen ABBA – dabei war Agnetha jahrelang die Nachbarin von der Familie Holmlund. „Heute mag ich ihre Musik, es sind viele schöne Songs“, sagt er. Doch damals wollten die jungen Wilden von Easy etwas anderes. Und zwar sofort: „Wir haben eine Kassette gemacht und an ein Label nach England geschickt“, erzählt Holmlund. Ein Freund gab sich als Manager aus und ein bisschen griffen die Jungs auch ihrem späteren Erfolg vor: „Wir haben geschrieben, dass wir in Schweden sehr bekannt sind.“ Das wurde zum Problem, als der Produzent Interesse bekundete – und den Plan, zu einem Auftritt zu kommen. „Zu diesem Zeitpunkt hatten wir erst ein einziges Konzert gespielt. Wir haben innerhalb einer Woche alle Freunde und Bekannten zusammengetrommelt, damit der Saal voll wird.“ Natürlich flog alles auf – und trotzdem war es der Beginn einer erfolgreichen Karriere. Denn das Glück ist mit den Mutigen und Easy startete gleich mit dem ersten Album „Magic Seed“ durch: fast 100 Konzerte im ersten Jahr, Auftritte, Indie-Hits.

    Alles fließt. Die Männer wurden älter, wurden Lehrer, Ärzte, Computer-Spezialisten. Es wurde ruhiger um Easy – doch das schließt einen Neustart nicht aus: „Jetzt sind wir zurück“, sagt Sänger und Bandleader Johan Holmlund. In diesem Jahr hat die Band in London eine Platte bei Pat Collier aufgenommen, dem Produzenten, der mit Katrina And The Waves „Walking On Sunshine“ herausbrachte. Die Scheibe heißt „A Heartbeat from Eternity“, die Songs hat Johan Holmlund geschrieben.

    Inspiration. Er findet sie an verschiedenen Orten. Morgens im Garten zum Beispiel, wenn die Vögel zwitschern und es dieses ganz besondere Licht gibt. „Golden Birds“ heißt ein neues Lied, das so entstanden ist. Einen anderen Song hat Holmlund inspiriert von der Fridays-for-Future-Bewegung geschrieben: „It‘s got to be dark ­enough to see the stars“, singt er da. „In diesen dunklen Zeiten gibt es Licht.“

    Während Englisch die Sprache seiner Songs ist, ist es Schwedisch, wenn er Gedichte schreibt. „Jag har simmat med monstret“ („Ich bin mit dem Monster geschwommen“) heißt sein erster Lyrikband, der 2010 erschien. Der Titel „Swimming with the beast“ auf der neuen Scheibe von Easy zeigt, dass die Übergänge zwischen Rockpoesie und Lyrik fließend sind. Auch Worte, klug gesetzt, haben eine Melodie. Es folgten die Gedichtbände „An Land“ und „In das neue Meer“, in deutscher Sprache sind sie im Adebor-Verlag erschienen. Holmlunds Frau Eyleen Kotyra hat die Gedichte übersetzt. Dieses Gespür für die Feinheiten, sagt er, traue er sich selbst nicht zu. Natürlich spricht er deutsch, mit diesem schwedischen Zungenschlag, bei dem das A oft ein bisschen wie ein O klingt.

    Überhaupt ist Johan Holmlund fast täglich ein Wanderer zwischen den Sprachen: Deutsch im Lehrerzimmer, später Englisch und Schwedisch im Klassenraum. 2014 folgte der heute 54-Jährige seiner Frau nach Deutschland. Sie hatte eine Stelle in Schwerin gefunden, das Paar verlegte seinen Lebensmittelpunkt von Göteborg hierher. Johan Holmlund fand eine Stelle in Wismar – „praktisch, da kann ich mit dem Zug fahren“, sagt er.

    Wissen seine Schüler, dass ihr Englischlehrer ein Rockstar ist? „Wenn es einer weiß, wissen es alle“, lacht Johan Holmlund und erzählt von einem Jungen, der sein Referat in einem T-Shirt mit Easy-Aufdruck hielt. „Das gab natürlich fünf Extrapunkte!“

    Der Vater zweier erwachsener Kinder hat Vertrauen zu den Jungen, schätzt deren Engagement für den Klimaschutz. Er selbst lebt seit einem halben Jahr als Vegetarier – und das, obwohl er die eher fleischlastige deutsche Küche sehr liebt. „Aber es gibt hier ja dieses wunderbare Schwarzbrot und die vielen Käsesorten. Und Kuchen“, fügt er hinzu. Natürlich seien die Safrankuchen, die man in Schweden zum heutigen Luciafest serviert, auch nicht zu verachten.

    Und so speist sich Johan Holmlunds Alltag weiter aus vielen Quellen. Im kommenden März soll das neue Album „Radical Innocence“ erscheinen, im März und April stehen Konzerte in Schweden und „hoffentlich auch in Deutschland“ an. Dann kommt die Band zusammen, aus Stockholm und Göteborg. Und aus Schwerin.

    Katja Haescher