Ach wie süß, ein Möwenküken! Ich konnte mich gar nicht mehr beruhigen, als ich neulich an einem kleinen Vetreter meiner Art vorbeiflatterte. Gleich darauf folgte der merkwürdige Impuls, das flauschige Küken zu drücken und zu quetschen. Nanu? Woher dieser plötzliche Anflug? Ich bin doch sonst eher eine friedliebende Möwe. (Wenn nicht gerade ein schmackhaftes Fischbrötchen in Reichweite meine Sinne vernebelt.) Das Phänomen, beim Anblick süßer Tiere plötzlich paradoxerweise einen leichten Aggressionsimpuls zu verspüren, nennt sich „Cute-Aggression“ und betrifft tatsächlich nur einen geringen Anteil von Personen, die äußerst sensibel auf niedliche Dinge reagieren.
Der Anblick eines Hundewelpen etwa löst dann eine überwältigende Entzückung aus. Das Nervensystem hat Schwierigkeiten, das Level an Niedlichkeit zu „ertragen“ und reagiert mit einem kurzen Wutimpuls, um die überschießenden positiven Emotionen abzubauen. So kann es vorkommen, dass man kurz die Fäuste ballt oder das Gefieder schüttelt, wenn man einem besonders putzigen Tier begegnet. Das mag verrückt anmuten, soll aber sicherstellen, dass wir uns weiterhin um ein schützenswertes Lebewesen kümmern, auch wenn es uns vor Niedlichkeit erst einmal überfordert. Ich jedenfalls war hin und weg von der kleinen Möwe. Und ich denke, ich bin damit in bester Gesellschaft. Schließlich soll es auch Leute geben, die mit ihren Haustieren wie mit kleinen Kindern sprechen! Das klingt verrückt, soll aber Intelligenz bescheinigen. Doch das ist wieder ein anderes Thema.
Euer Matti
(notiert von Anne-Marie Schiede)