Eine schwarze Nase, die dem Betrachter aus dem Bild entgegenzuschnuppern scheint, darüber braune Augen. Samtige Pfoten, fliegende Mähnen. Menschen und Hunde, Katzen und Menschen, Frauen, Mädchen, Pferde. Wenn Fotografin Sara Glawe auf den Auslöser drückt, dann hat mindestens einer der Protagonisten ein Fell. Die 33-Jährige ist Tierfotografin. Und zwar die Tierfotografin des Jahres 2020 – ausgezeichnet mit dem Award „Pet Photographer Of The Year“. Verliehen wird dieser vom in Australien ansässigen Pet Photographers Club, der Tierfotografen überall auf der Welt vereint. 2500 Fotografen aus 36 Nationen hatten sich in diesem Jahr für die in vier Kategorien ausgeschriebenen Awards beworben.
Sara Glawe reichte vier Bilder ein – und alle schafften es unter die 100 besten. „Das war für mich schon ein Hauptgewinn“, sagt die Banzkowerin. „Denn es waren viele so unglaublich gute Fotos dabei.“ Als sich dann drei ihrer vier Bilder unter den besten 25 wiederfanden, war die Freude noch größer. „Da hat es mir überhaupt nichts mehr ausgemacht, dass ich in den einzelnen Kategorien am Ende nicht gewonnen habe“, sagt die Fotografin.
Was sie zu diesem Zeitpunkt nicht wusste: Es wurde auch noch ein Overall Winner, ein Gesamtsieger, gekürt. Und so war eines Sonntagmorgens die Mail aus Australien da – und Sara Glawe zum ersten Mal sprachlos. Danach erstaunt, ungläubig. Und am Ende unglaublich stolz.
Hinter diesem Erfolg stecken ein fester Wille, viel Leidenschaft und die große Begeisterungsfähigkeit, die die junge Frau für viele Dinge im Leben empfindet. Begeisterung für Fotos gehört seit ihren Kindertagen dazu. „Ich bin ohne meinen Vater aufgewachsen. In den Fotoalben meiner Mutter gab es Bilder, wie er mich auf dem Arm hält. Da war etwas, woran ich mich nicht erinnern konnte, was es aber trotzdem gegeben hatte und da wurde mir zum ersten Mal klar, welche Macht Fotos und mit ihnen Erinnerungen haben“, sagt Sara Glawe.
Danach experimentierte sie mit einer analogen Kamera, machte Bilder von Freunden, der Familie, Festen, bastelte Fotoalben. Nach der zehnten Klasse, mit 15 Jahren, ging es für ein Jahr nach Amerika. In San Antonio, Texas, blühten Kakteen, drehten sich fremdartige Windmühlen, spazierten Gürteltiere über die Straße. Die Kamera klickte. Und als Sara auf der großen Liste von Kursen an der Highschool einen für Fotojournalismus entdeckte, war das Glück vollkommen. „Ich habe wie ein Nerd jede Hofpause im Fotolabor verbracht“, erzählt sie lachend. Die Lehrerin weckte nicht nur Verständnis für technische Vorgänge der Fotografie, sondern lehrte ihre Schüler das Sehen. Was kennzeichnet ein gutes Bild? Wie lässt es sich komponieren? Was macht es mit dem Betrachter?
Nach dem Abitur in Stralsund wurde Sara Glawe Polizistin – ein spannender Beruf, den sie der vielen Entwicklungschancen wegen wählte. Und wegen der sicheren Jobperspektive, die es ihr ermöglichte, sich den seit Kindertagen gehegten Traum vom eigenen Pferd zu erfüllen. Doch etwas fehlte: das Tummelfeld für die künstlerischen Ambitionen.
Die junge Frau fotografierte in dieser Zeit viel: Hochzeiten von Freundinnen, die ersten Babys. Sie kaufte eine digitale Spiegelreflexkamera, verschiedene Objektive, Utensilien fürs Shooting. Und merkte schnell, dass sie ein Händchen dafür hatte, wenn Tiere ins Spiel kamen. Selbst scheue Katzen stecken die Nasen aus dem Korb, wenn Sara Glawe kommt. Hunde fliegen auf sie. Und zu Pferden spürt sie seit frühen Kindertagen eine tiefe Verbundenheit. Das heißt aber nicht, dass sie nicht auch schon Kaninchen und Hühner, Eulen und Fische vor der Kamera hatte – wenngleich letztere leider nicht auf Kommando in eine bestimmte Richtung schwimmen …
Weil die Begeisterung für ihre Tierbilder immer weiter wuchs, beschloss Sara Glawe, sich darauf zu spezialisieren und die Nebentätigkeit zu professionalisieren. Seitdem ist sie in zwei Berufswelten zu Hause. In der einer Polizistin mit einem herausfordernden Job. Und in der einer Fotografin, die vierbeinige Familienmitglieder perfekt in Szene setzt.
Ihre Sets findet die 33-Jährige überall. Am Strand, in der Natur, im urbanen Raum. Hunde hat sie deshalb besonders gern vor der Kamera, weil sie sich überallhin mitnehmen lassen. So entstand eines der Bilder für den „Pet Photographer Award“ direkt vor der Staatskanzlei. Star der Aufnahme: ein grauer Labrador, dessen Fell mit dem Grau des Gebäudes zu verschmelzen scheint und der durch eine Reihe von Fahrradbügeln wie aus einem Tunnel schaut.
Sara Glawe beherrscht es, in ihren Fotos den Blick der Betrachter zu führen und zu fesseln – Tiere als Protagonisten bedeuten dabei eine besondere Herausforderung. Leckerli als Belohnung spielen eine dementsprechend große Rolle, aber nicht ausschließlich. Auch das Verhältnis des Menschen zu seinem Tier nimmt Einfluss auf das Shooting. Sara Glawe ist es wichtig, eine Stimmung zu erschaffen, in der sich alle wohlfühlen: Vier- und Zweibeiner. Und so haben Tierbesitzer nach dem Shooting nicht nur wunderbare Fotos ihrer Lieblinge, sondern auch Erinnerungen an ein schönes Erlebnis. Katja Haescher